(erschienen in taz, 1.7.2014)
40 Millionen Fehlstunden jährlich wegen „Rücken“: Der gerade veröffentlichte Gesundheitsreport 2014 der Techniker Krankenkasse schlüsselt auf, welcher Reibach den Unternehmen durch diverse Leiden Jahr für Jahr durch die Lappen geht. Auf der Basis der anonymisierten Daten von über 4 Millionen TK-Versicherten ergaben sich erschreckende Einblicke in ein Land, das noch viel effizienter wirtschaften könnte, wenn Körper und Geist der Arbeitnehmer weniger störanfällig wären. Der Report spricht es ganz deutlich aus: Gebrechen vernichten Geld. Vor allem Rückenprobleme schlügen zu Buche. Dabei offenbarten sich allerdings große Unterschiede in den Berufsgruppen: Während beispielsweise Wirtschaftsprüfer nur 0,15 Tage wegen Rückenleiden fehlen, sind es bei Altenpflegern, Profi-Wrestlern und Pornostars schon drei bis fünf Tage. Besonders gefährdet sind auch Köche („gespickter Lammrücken“) und Esoteriker („Gläserrücken“). Für einen mittelständischen Betrieb mit 60 Beschäftigten bedeute das, dass jedes Jahr fünf Mitarbeiter zweieinhalb Wochen ausfallen und das Unternehmen drei Monatsgehälter auf das Konto „Rücken“ überweise, so die TK.
Ähnlich schwarze Zahlen schreibt das Konto „Darm“: Durchfälle, Verstopfungen und langwierige Kackkuren zählen laut der TK zu den großen Bremsen für ein sattes Bruttosozialprodukt. Zwar schleppten sich viele pflichtbewusste Angestellte mit Verstopfungen und Durchfällen zur Arbeit – dort säßen sie dann aber stundenlang auf dem Klo und steckten Kollegen an. Dabei litten Unternehmensberater und Frisöre dreimal so häufig an Verstopfungen wie Schlachtergehilfen und Brezelverkäufer. Lehrer und Rüstungslobbyisten wiederum erkrankten viermal so oft an Durchfall wie Bestatter, Kosmetiker und Landschaftsgärtner, die sich allerdings häufiger wegen Allergien und Todesfällen in der Familie krankschreiben ließen, wobei auch hier die Ursache in Darmerkrankungen (z.B. Krebs) liegen könne.
Um Darmprobleme und Rückenleiden zu minimieren, empfiehlt die TK öfter mal eine Pause, frisches Obst, Rücken- und Analmuskeltraining sowie einfach mal früher ins Bett gehen und sich weniger Sorgen machen. Unternehmern rät sie, ihre Angestellten effizienzbewusst einzusetzen: Bei guter Behandlung könne eine Krankenschwester bis zu 37 Dienstjahre halten ohne wirtschaftlich nachteilhafte Bandscheibenvorfällen zu erleiden. Andererseits gäbe es in Pflegeberufen auch genug frisches Material, so dass hier eine „Klotzen-statt-Kleckern“-Business-Strategie ebenso zielführend sein könne. Letztlich habe sich der Angestellte in seiner Freizeit selbst um Ausgleichssport, Schonkost, erfüllenden Sex, Vermeidung von Aufregung (z.B. durch schwererziehbare Kinder oder Schulden) und ein gesundheitsförderndes Innenleben zu kümmern. Genau daran hapert es aber bei fast einem Viertel der Datensätze: Hauptausfallgrund ist nämlich weder ein lädierter Rücken, noch ein widerspenstiger Darm. Vielmehr ergeben sich die meisten Fehlzeiten durch psychische Leiden wie Burnout, Dienstags-Depression, Morbus Bocklos, Serviles-Sinnlosigkeits-Syndrom, Bummelantentum, Untertanen-Fäule, Arbeitnehmer-Alkoholismus oder die Leck-mich-am-Arsch-Krankheit seien seit Jahren auf dem Vormarsch. Als Hauptursache vermutet die TK eine Entfremdung der Arbeiter vom Produkten und die Konzentration der Produktionsmittel in den Händen einiger weniger Ausbeuter. Oft läge das Problem aber auch in einer unzureichenden Kommunikation zwischen „oben“ und „unten“, zitiert der Bericht Prof. Dr. Krupp-Koch von der Bonner Josef-Goebbels-Stiftungsprofessur für Rüstungsrhetorik und Kommunikationsdesign.
Am Ende des Berichts benennt die TK zwei weitere Faktoren, die der Wirtschaft immensen Schaden zufügten: Kindesmisshandlung und Dummheit. Traumatisierte Kinder gäben in zwei Drittel der Fälle später schlechtere Arbeitnehmer ab, da sie verstärkt zu Panikattacken, Bettnässen, Depressionen, psychischer Instabilität, Sucht, Obdachlosigkeit und Arbeitsausfall durch Selbstmord neigten. Allerdings zähle ein Drittel dieser Gruppe auch zu den Leistungsträgern, die in Vorstandsetagen oder als Rockstar oder Prostituierte ihre schillernden Erfahrungen gegen Geld an andere weiter gäben. Daher empfiehlt die TK, dieses Thema weiterhin totzuschweigen und die zehn bis zwanzig Millionen Betroffenen sich selbst zu überlassen. Das gleiche gilt laut dem Report für den Faktor „Dummheit“. Einen öffentlichen Diskurs darüber anzustrengen, ergäbe wenig Sinn. Die Klugen wüssten eh, was gemeint sei, und die Dummen verstünden nicht, worum es ginge.